dapd, 14. Oktober 2010
Eine deutsche Moschee
Mit Bescheidenheit und Offenheit plant die Islamische Gemeinde Marburgs ihr erstes Kulturzentrum
Von Gesa Coordes
Marburg (dapd). Integrationsunwilligkeit kann man der Islamischen Gemeinde Marburgs wahrlich nicht vorwerfen: Sie waren die ersten in Hessen, die ihre christlichen Mitbürger zum Fastenbrechen in ein Ramadanzelt in der Marburger Innenstadt einluden. Sie haben ein hervorragendes Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde. Und ihre alte, viel zu klein gewordene Omar-Ibn-Al-Khattab-Moschee ist ein offenes Haus, in dem Besucher willkommen sind. Jetzt planen sie eine neue Moschee: „Wir würden uns wünschen, dass die Marburger darauf eines Tages ebenso stolz sind wie auf die Synagoge“, sagt Bilal El-Zayat, der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde.
Der 33-jährige Oberarzt ist Sohn einer Preußin und eines Ägypters, den das Studium nach Marburg verschlug. El-Zayat hat nicht nur einen deutschen Pass. Er ist auch Lokalpatriot: „Marburg ist meine Heimat. Das ist eine der schönsten Städte der Welt“, sagt er. Und wenn manche Patienten bis heute darüber staunen, dass der Arzt perfekt deutsch spricht, kann er nur müde lächeln. Keine andere Sprache spricht er besser. Jetzt hat er sich neben dem 60-Stunden-Job an der Marburger Uni-Klinik für Orthopädie noch einer zweiten Aufgabe verschrieben – der geplanten Marburger Moschee.
Vor wenigen Wochen hat er die Pläne für den Bau des muslimischen Gotteshauses in Marburg vorgestellt: Eine bescheidene Moschee, ohne Minarett, ohne Kuppel, ohne Muezzin-Ruf. „Wir haben auf alles verzichtet, was provozieren könnte“, sagt El-Zayat. Und die Pläne sind im Vorfeld nicht nur mit Vertretern der politischen Parteien besprochen worden, sondern auch mit Christen und Juden in Marburg. Nach den Gesprächen verzichtete die Gemeinde auf ein islamisches Ornament, das an die Kreuzsymbolik erinnert. Auf den Rat der Jüdischen Gemeinde wird die Moschee einen Keller haben. Sie haben ihn nach dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde „Orbach-Keller“ getauft.
Kritische Stimmen sind bislang kaum laut geworden. Allenfalls die Parkplatzfrage sorgt für Diskussion. Das war vor drei Jahren noch völlig anders. Damals scheiterten die Pläne für eine neue Moschee an einer von der CDU im Marburger Stadtparlament angezettelten Diskussion. Die Moslems müssten beweisen, dass sie Demokraten seien. Zum Teil stünden sie unter dem Verdacht, Islamisten zu sein, warfen ihnen die Konservativen vor.
Einziger konkreter Anhaltspunkt dafür sei die Nennung des Betreibervereins Orientbrücke im Verfassungsschutzbericht gewesen, sagt Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD). Was dies bedeutet, ließ sich von außen nicht klären. „Etwas Handfestes“ sei jedoch nicht gefunden worden, berichtet Vaupel. Damals habe eine diffuse Terrorismusangst geherrscht, sagt El-Zayat: „Dagegen kann man sich kaum wehren“, weiß der Deutsch-Ägypter: „Wir sind alle junge Leute, gut ausgebildet, gut integriert, bringen unseren Müll raus und reisen viel. Wir passen perfekt in das Bild möglicher Schläfer.“ Es tauchten Schmähschriften auf. Die Bank, die das für die Moschee geplante Gebäude verkaufen wollte, zog ihr Angebot zurück.
Um die Diskussion zu entschärfen, richtete Oberbürgermeister Vaupel einen „Runden Tisch der Integration“ ein, an dem es um Gleichberechtigung, Bildung und kulturelle Teilhabe ging. Erst kürzlich wurde der „Friedensweg der Religionen“ eröffnet. Und die Islamische Gemeinde hat seitdem „sehr viel gelernt“, sagt El-Zayat. Heute kommt Amnon Orbach als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu den hohen Festen der Moslems. Und El-Zayat ist beim Laubhüttenfest dabei. „Einfach war das zunächst nicht“, sagt der 33-Jährige.
Der Weg der Integration gilt auch innerhalb der Islamischen Gemeinde. In Marburg beten Schiiten neben Sunniten, Frauen mit Kopftuch und ohne Kopftuch, Mystiker und Sophistiker, Männer mit langem Bart und Bartlose, Linke und Rechte sowie Moslems aus mehr als 40 Nationen. Auch das birgt Konfliktstoff. So gibt es jedes Jahr Streit darum, wann Ramadan gefeiert wird, weil dies ist in den Ländern unterschiedlich geregelt ist. Und es sind auch nicht alle Gemeindeglieder glücklich über die „bescheidene Moschee“, an der nur das Treppenhaus an ein Minarett erinnert. „Das ist eine deutsche Moschee“, erklärt El-Zayat seinen Glaubensbrüdern.
Dass sie in unmittelbarer Nähe eines Bordells gebaut werden soll, gefällt den Gläubigen natürlich auch nicht. Andererseits liegt die Moschee im Zentrum Marburgs. Und das Gelände wurde der Gemeinde teilweise geschenkt.
Wenn alles gut geht, soll im kommenden Jahr begonnen werden. Finanziert werden die Kosten von 1,2 Millionen Euro aus Spenden. Und damit niemand glaubt, dass Hamas oder Hisbollah dahinter stecken, will El-Zayat der Stadt Einsicht in die Spenderdatei geben.